1qm Lein an der Freien Waldorfschule Leipzig

Cornelia Debus hat dieses Jahr 1qm Lein gemeinsam mit ihrer dritten Klasse der Freien Waldorfschule Leipzig umgesetzt. 30 Schüler:innen haben den Flachs im Rahmen der Ackerbauepoche im Unterstufengarten angebaut – neben verschiedene Getreidesorten. Für unseren Blog hat sie ihre Erfahrungen und Learnings zusammengestellt – herzlichen Dank!

Wenn du auch Lehrer:in bist und überlegst, 1qm Lein in deinen Unterricht zu integrieren, kannst du dich gerne bei Christiane Teichmann aus unserem Team unter schule@1qmlein.de melden. 

Was hat Sie motiviert, 1qm Lein mit Ihrer Klasse umzusetzen?

Die Kinder befassen sich während der Ackerbauepoche mit der Bearbeitung des Bodens, dem Kreislauf der Natur und der Bedeutung der Tierwelt für unsere Ernährung. Vom Korn zum Brot ist dabei eines der großen Themen, begonnen mit dem Pflügen und Eggen des Ackers, der Aussaat von Wintergetreide, bis hin zum Ernten, Garbenbinden, Dreschen, Sieben, Mahlen und Brot backen.
Als ich von dem Projekt “1qm Lein” hörte, war mein Interesse sofort geweckt. Die heimische Gewinnung von Fasern für Kleidung, die in unseren Breiten lange Zeit üblich war, in die Ackerbauepoche mit einzubeziehen, erschien mir als wunderbare Ergänzung.

Gerade in der heutigen Zeit, wo die Kinder sich durch die zunehmende Digitalisierung des Lebens auf verschiedenen Ebenen immer weiter von dem “echten” Leben entfernen, ist das Erleben vollständiger Prozesse von Anfang bis Ende und das aktive Mitgestalten von unschätzbarem Wert für die gesamte Entwicklung eines Kindes. Rückblickend haben die Kinder genau diese Tatsache bestätigt. Sie erwähnten z.B. wie unglaublich es sei, dass aus einem so winzigen Korn eine so große Pflanze mit so harten und am Ende doch so weichen Fasern werden könne. Auch wurde bemerkt, wie unglaublich wertvoll ein Leinengewand sei, da ja so viel Arbeit darin stecke. In der heutigen Wegwerfgesellschaft sicher eine wertvolle Erfahrung. In unserem Klassenraum steht nun ein Spinnrad, da die Kinder unbedingt den gewonnenen Flachs weiterverarbeiten wollen.

 

Wie war der Ablauf von der Aussaat bis jetzt?

Ab dem Frühjahr 2025 haben wir zwei Stunden wöchentlich verschiedene Aufgaben in unserem Garten erledigt, zumeist zusammen mit zwei Erwachsenen, um die 30 Kinder sinnvoll bei den Arbeiten begleiten zu können. Eine Aufgabe war, ca. 2 qm Acker für ein Leinfeld vorzubereiten. Zunächst haben die Kinder dort gejätet und die Erde fein gehackt. Anschließend wurden mit Stäben Furchen in die feine Erde gedrückt, in die dann der Leinsamen ausgesät und fest gedrückt wurde. Nun wurde das kleine Feld gepflegt, gegossen und beobachtet. Zum Vergleich hatten wir neben dem Faserlein auch Öllein ausgesät, der zunächst schneller wuchs, aber dann viel niedriger blieb. Bewundert wurden die blauen Eintagsblüten und die Stabilität der dünnen Stängel.

Direkt nach den Sommerferien Anfang August rauften wir den Flachs, trockneten und riffelten ihn mit Hilfe verschiedener kleiner Rechen auf dem Schulhof. Die bekannten Leinsamen, die wie ein Wunder aus den Kapseln zum Vorschein kamen, beeindruckten die Kinder sehr. Geröstet wurde der Flachs wieder im Garten in zwei großen Wannen, die die Kinder mit Wasser füllten. Nach einer guten Woche war der Flachs geröstet und die Kinder konnten mit einzelnen Stängeln die Probe machen, ob sich die Schale bereits von der Faser löste. Nun fehlte nur noch die abschließende Verarbeitung des Flaches. Frau Knorr und Frau Teichmann kamen mit ihren Geräten zu uns an die Schule, ein unglaublicher Höhepunkt für die Kinder. Voller Freude und mit großem Schaffensdrang, arbeiteten die Kinder geschickt und ausdauernd den ganzen Vormittag, bis sie den weichen Flachs mit Bewunderung und Ehrfurcht in ihren Händen hielten. Viel Begeisterung und großen Fantasietreichtum entwickelten sie beim Herstellen verschiedener, kleiner Armbändchen, was noch in den darauffolgenden Tagen fortgesetzt wurde.

 

Welche Themen haben Sie mit dem Projekt verknüpft?

Unser Schwerpunkt war es, den Bogen von Anfang bis zum Ende durch die Pflege des Faserlein, die Beobachtung und die Verarbeitung zu spannen, so dass die Kinder ein Gefühl für die großen Zusammenhänge entwickeln konnten. Auch in der Heimatkundeepoche zu Beginn der vierten Klasse kam der Faserlein wieder zur Sprache, da der Anbau von Flachs gerade um Leipzig herum sehr verbreitet war. Auch das Gewerbe der Leinweber hatte in Leipzig einen ungewöhnlich hohen Stellenwert. Die Kinder konnten, aufgrund ihrer Erfahrungen aus dem dritten Schuljahr, dieser Tatsache mit echter innerer Anteilnahme begegnen.

Was hat Sie bei der Durchführung am meisten überrascht?

Besonders überrascht hat uns die Stabilität des Stängels, sowie der Fasern, die im Laufe der Verarbeitung immer weicher wurden.

Wie war das Feedback der Schüler:innen?

Die Kinder hat alles interessiert und erstaunt. Auch die Mühsal der früheren Menschen, die notwendig war, um ein Kleidungsstück herzustellen, und der Wert desselben, war sehr präsent.

Wo gab es Schwierigkeiten, das Projekt in den Schulunterricht zu integrieren?

Schulferien können durchaus ein Thema sein. Unser Flachs z.B. war schon recht alt, bis wir ihn ernten konnten und damit etwas struppiger. Wir hätten mit der Aussaat etwas schneller sein können.

War die schuljahrsübergreifende Dauer des Projektes ein Hindernis?

Nein, ganz im Gegenteil, das Flachsfest war ein wunderbarer Ausklang. Gerade der Abstand, der durch die Ferien entstanden war, ermöglichte für die Kinder noch einmal einen neuen, wiederholenden und vertiefenden Blick auf den gesamten Ablauf.

Haben Sie spezielle Literatur zur Vorbereitung genutzt? 

Im Wesentlichen haben wir uns an den Anleitungen durch das Projekt selbst orientiert. Diese waren sehr hilfreich, gut verständlich und umsetzbar. Vielen Dank:)

Was würden Sie beim nächsten Durchgang anders oder genau so wieder machen?

Ich würde es genauso wieder wieder machen. Zwei Kolleginnen meiner Schule wollen im kommenden Frühjahr auch an diesem Projekt teilnehmen.

Was würden Sie Lehrer:innen mit auf den Weg geben, die überlegen, 1qm Lein an ihrer Schule durchzuführen?

Sehr kleinschrittig jede Aktion vorausplanen, das notwendige Material und die Arbeitsgeräte im Vorfeld besorgen, so dass die Kinder gut angeleitet und in 4er bis 5er Gruppen aufgeteilt, selbständig arbeiten können. Es geht tatsächlich auch mit 30 Kindern.

 

Text und Fotos: Cornelia Debus